18. Juli 2013

Angeschlagen Im Abseits

von Rainer Wendt, DPolG Bundesvorsitzender

Nicht jeder von uns hat die Möglichkeit, schon in jungen Jahren nicht mehr im Schichtdienst, an unzählig wechselnden Einsatzorten und unter schwersten körperlichen wie psychischen Bedingungen Dienst versehen zu müssen. Viele müssen auch nach Jahrzehnten noch immer rund um die Uhr präsent und leistungsfähig sein. Darunter leidet nicht nur das Familienleben, sondern auch und vor allem die Gesundheit.
Die Krankheitszahlen steigen mit zunehmender demografischer Belastung an, dem Druck standzuhalten ist immer schwerer, zumal kaum Besserung in Sicht ist, im Gegenteil. Vieles spricht dafür, dass noch erheblich mehr Kolleginnen und Kollegen künftig krankheitsbedingt ausfallen.

Natürlich müssen die Haushaltspolitiker endlich dafür sorgen, dass mehr junge Kräfte rasch eingestellt und gründlich ausgebildet werden, aber selbst wenn dies jetzt beschlossen würde – die Lage wird eher noch schlimmer – könnten uns diese Neuen doch erst in einigen Jahren wirksam entlasten. Außerdem müssen wir stets darauf achten, zusätzliche Neueinstellungen nicht durch Einbußen bei aktuellen Gehältern und Pensionen „selbst zu bezahlen“.

Dies ist eigentlich die Stunde des Dienstherrn und der klugen Vorgesetzten. Sie sind es, die im Umgang mit eingeschränkt dienstfähigen Kolleginnen und Kollegen fürsorglich, verantwortungsbewusst und menschlich umgehen müssen und deren Potentiale nicht aus kurzsichtigen Motiven verschleudern dürfen. Es gibt durchaus vorbildliche Beispiele dafür, dass mit Hilfe umsichtiger Eingliederungsmaßnahmen die Weiterbeschäftigung auch derjenigen gelingt, die nicht mehr alle Funktionen rund um die Uhr ausfüllen können.

Leider gibt es auch andere Beispiele. „Untersuchungen der Polizeidienstunfähigkeit sind auch Personalentwicklung – und zwar raus aus der Polizei!“ so die zynische Aussage eines hohen Verantwortungsträgers, der in seinem Land für eine Vervielfachung der PDU-Verfahren sorgte und sorgt. Hunderte Kolleginnen und Kollegen werden in existentielle Ängste versetzt, der Polizeiarzt nicht als Hilfe, sondern als Bedrohung wahrgenommen.

Die PDV 300 hilft auch in der neuen Fassung nicht weiter. Weder Rechtssicherheit, noch Einheitlichkeit oder Schutz vor Willkür sind durch die offenen Formulierungen gesichert. Und sogar Vorgesetzte beteiligen sich zuweilen daran, Kollegen zu disziplinieren, indem sie sie mit „kaputtschreiben“ bedrohen. Das ist völlig daneben. Die Polizei muss lernen, dass auch diejenigen zu ihr gehören, die sich in jahrzehntelanger Pflichterfüllung aufgerieben haben und jetzt nicht mehr über Zäune und Dächer springen können. Sie haben einen Anspruch auf Beschäftigung und Zukunft – in der Polizei!

Deshalb muss die Innenministerkonferenz nacharbeiten und bundesweit für Rechts- und Verfahrenssicherheit sorgen. Und diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die als Schwerbehindertenvertretungen mit ihrem Spezialwissen wertvolle Beratungs- und Unterstützungsarbeit in den Dienststellen leisten können, müssen in ihrer Position gestärkt und ernst genommen werden, damit sie ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen können. Sie tun dies übrigens nicht als Konkurrenz zu Gewerkschaften oder Personalräten, sondern in eigener Zuständigkeit und mit wertvoller Expertise.

Die Humanität eines Landes erkennt man daran, wie es mit den Älteren in der Gesellschaft umgeht. Die Polizei sollte mit gutem Beispiel vorangehen.