Eindeutige Position zum Thema Luftsicherheit
Unter den Überschriften
„Bundespolizisten fordern staatliche Passagierkontrollen“
und
„Kontrollsystem an die Wand gefahren“
forderte der Bundesvorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft Ernst G. Walter in verschiedenen Beiträgen der Stuttgarter Nachrichten zu Wochenbeginn ein Ende der Sicherheitskontrollen durch private Dienstleister und die Rückkehr zu mehr staatlichem Handeln bei der Wahrnehmung der hoheitlichen Kontrollen. Zugleich mahnte er ein größeres Engagement der Flughafenbetreiber bei der Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur an und schlug zugleich deren stärkere Einbindung bei der Beschaffung moderner Kontrolltechnik vor.
Hier der Wortlaut des Interviews der Stuttgarter Nachrichten mit dem Bundesvorsitzenden Ernst G. Walter:
Herr Walter, die Luftfahrtunternehmen beklagen sich darüber, dass die Kosten für die Passagierkontrollen sich seit 2010 verdoppelt haben. Ist das heutige System zu teuer?
Das System ist an die Wand gefahren worden, weil man diese wichtige Aufgabe in der allgemeinen Privatisierungseuphorie an private Firmen vergeben hat, die vor allem die Kosten drücken und Gewinne erzielen wollen. Je länger dieses System besteht, desto deutlicher sieht man, dass es versagt.
Worin besteht dieses Versagen?
Die Firmen, die sich um die Aufträge bewerben, drücken die Kosten um jeden Preis und schließen dann Verträge zu Dumpingbedingungen, die sie nicht einhalten können. Es kommt dann zu langen Schlangen oder sogar zu Nachverhandlungen, weil das beauftragte Sicherheitsunternehmen mit den vereinbarten Zahlungen nicht auskommt.
Sind die Kontrollen denn wenigstens sicher?
Privatunternehmen sparen nicht nur an den Löhnen, sondern auch an der Fortbildung der Mitarbeiter. In einer angespannten Sicherheitslage, wie wir sie heute haben, darf man bei der Qualität der Passagierkontrollen aber keine Kompromisse eingehen.
Die privaten Sicherheitsunternehmen arbeiten ja unter der Aufsicht der Bundespolizei. Reicht das nicht aus?
Die Aufsicht kann nur funktionieren, wenn auf beiden Seiten die gleichen Spielregeln gelten. Das ist hier aber nicht der Fall. Die Polizei konzentriert sich ganz auf die Sicherheit, die Privatunternehmen müssen stets die Kosten drücken, um Gewinne zu erzielen. Deshalb muss die Aufsicht ständig die zu beaufsichtigenden Unternehmen auf Kurs halten. Dieses System ist aufwendig und sicher nicht optimal für die Sicherheit.
Die Aufträge an die Privatunternehmen werden ja immer nur auf einige Jahre ausgeschrieben, dann beginnt ein neuer Wettbewerb. Welche Auswirkungen hat diese Regelung?
Die Mitarbeiter, die für Sicherheit sorgen sollen, arbeiten selbst unter sehr unsicheren Bedingungen. Keiner von ihnen kann sich darauf verlassen, längerfristig bei seinem Arbeitgeber bleiben zu können. Deshalb gibt es einen ständigen Wechsel: Es kommen Mitarbeiter neu dazu, andere finden etwas Besseres, wieder andere wechseln zu dem Arbeitgeber, der gerade die Ausschreibung gewonnen hat. Die Bindung an den Arbeitgeber und die Identifikation mit der Aufgabe leiden darunter. Für Mitarbeiter, die die letzte Verantwortung dafür tragen, dass keine gefährlichen Gegenstände an Bord kommen, sind das denkbar ungünstige Bedingungen.
Die Flughäfen haben ja bereits vorgeschlagen, selbst die Kontrollen zu vergeben. Schließlich seien sie ohnehin die Hausherren.
Käme es dazu, würden private Unternehmen die Sicherheitskontrollen an andere private Unternehmen vergeben. Die Rolle des Staates würde sich dann darauf beschränken, für folgenschwere Fehler zu haften. Schließlich sind die Kontrollen nach wie vor eine hoheitliche Aufgabe, aus der sich der Staat dann komplett zurückziehen würde.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Der Staat sollte die Kontrollen lieber durch eigene Firmen vornehmen lassen, als sich vom Renditekalkül privater Anbieter abhängig zu machen. Staatliche Unternehmen können den Mitarbeitern, die für Sicherheit sorgen, auch selbst Sicherheit geben. Zudem wird die Aufsicht wesentlich einfacher und kostengünstiger, wenn das Sicherheitsunternehmen und der Aufseher die Aufgabe mit einem gemeinsamen Verständnis angehen.
In München und Nürnberg werden die Kontrollen ja bereits durch Unternehmen vorgenommen, die ganz oder mehrheitlich in staatlicher Hand sind. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Diese Flughäfen zeigen, dass das Modell auch in der Praxis funktioniert. Die Mitarbeiter haben langfristige Verträge und arbeiten Vollzeit, sofern sie nicht von sich aus eine Teilzeitbeschäftigung ausüben wollen. Deshalb können sie sie von dem Lohn auch lebenund müssen sich nicht ständig mit der Frage beschäftigen, ob sie in den Ballungsräumen, in denen Flughäfen ja nun mal stehen, noch ihre Miete bezahlen können. Für die Sicherheit der Luftfahrt ist es wichtig, dass das Kontrollpersonal für seine verantwortungsvolle Aufgabe den Kopf frei hat.
Welche Kosten würde Ihr Vorschlag verursachen?
Mit dem neuen Tarifvertrag wird das private Sicherheitspersonal 19,01 Euro pro Stunde verdienen und damit mehr als ein vergleichbarer Angestellter der Bundespolizei, der auf maximal 18 Euro kommt. Zudem arbeiten staatseigene Unternehmen nicht renditeorientiert. Das Geld, das die privaten Sicherheitsfirmen für ihre Gewinne aufschlagen müssen, wird bei einem staatlichen Unternehmen schon mal gespart.
Die privaten Unternehmen verweisen darauf, dass es in Deutschland bisher keine ernsthaften Zwischenfälle im Flugverkehr gegeben hat.
Das stimmt zum Glück. Doch wie man vor einigen Jahren lesen konnte, hat eine Inspektion durch die EU an deutschen Flughäfen zu teilweise katastrophalen Ergebnissen geführt. Seither gab es zwar einige Verbesserungen im Bereich der Aus- und Fortbildung. Aber man weiß nicht, ob das Ausbleiben von Zwischenfällen wirklich den Verbesserungen zu verdanken ist oder ob wir nur Glück hatten.
Bei der technischen Ausrüstung der Kontrollstellen ist dagegen der Staat in der Pflicht – er beschafft die Metalldirektoren, die Körperscanner und die Röntgengeräte, mit denen Passagiere und Gepäck untersucht werden. Täuscht der Eindruck, dass neue Körperscanner nur sehr langsam an den Flughäfen Einzug halten?
Hier hat die staatliche Zuständigkeit tatsächlich ihre Nachteile. Es gibt langfristige Beschaffungsverträge, die den Einzug von Innovationen erschweren. Bevor neue Geräte zum Einsatz kommen, müssen eben erst die alten Verträge erfüllt werden. Deshalb verschwinden die Metalldetektoren erst nach und nach. Mit der Zeit wird dann auch die Handgepäck-Kontrolle einfacher werden – man wird mit den neuen Geräten zum Beispiel nicht mehr den Laptop auspacken müssen.
Könnte die Beschaffung moderner Geräte nicht auch schnellergehen?
Es wäre sehr sinnvoll, den Spieß umzudrehen: Bei den Kontrollen ist eine Vergabe an den Staat sinnvoll, bei der Beschaffung der Technik könnte ich mir dagegen sehr gut vorstellen, dass die Flughäfen eine entscheidende Rolle bekommen. Sie sind möglicherweise eher in der Lage, mit den Herstellerfirmen bessere Verträge auszuhandeln und Innovationen schneller einzuführen. Doch klar ist auch: Die Technik kann noch so gut sein – am Ende müssen wir alles dafür tun, damit der Mensch keinen Fehler macht.
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