14. Oktober 2017

Jeder Polizist hat den gleichen Schutzanspruch

Ein Kommentar von Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender DPolG Bundespolizeigewerkschaft
Die Terrorgefahr in Europa wird nach wie vor als hoch eingestuft. Nachrichtendienste und Polizeien in ganz Europa arbeiten mit Hochdruck daran, terroristische Strukturen und Terrorverdächtige frühzeitig zu erkennen sowie sogenannte Gefährder zu identifizieren, zu lokalisieren und zu überwachen, um neue Verbrechen zu verhindern und damit „vor die Lage zu kommen“. Und dennoch lassen sich terroristische Anschläge wie in Frankreich, Spanien, Belgien und bei uns in Deutschland auch in der Zukunft nie ganz ausschließen.
Spezialkräfte arbeiten hochprofessionell, können aber nicht überall sein
Die Polizei in Deutschland hält für diese Fälle mit den MEK, SEK, der GSG 9 und den BFE+ inzwischen eine Vielzahl von Spezialkräften vor, die nach gründlicher Ausbildung zur Erfüllung ihrer gefährlichen Aufgaben auch entsprechend ausgestattet werden, wobei natürlich ständig nach Optimierungsmöglichkeiten gesucht und die Spezialausstattung stets auf dem aktuellsten Stand der Technik gehalten werden muss.
Die Terroranschläge der vergangenen Jahre in Europa haben uns aber auch deutlich vor Augen geführt, dass es in nahezu allen Fällen zunächst Kontroll- und Streifenbeamte waren, die als erste mit solchen Extremsituationen konfrontiert wurden. Dabei haben einige sogar ihr Leben gelassen. Explizit für solche Fälle ausgebildete Spezialkräfte müssen immer erst angefordert und an den Ereignisort herangeführt werden. Während dieses Zeitraums sind es die „normalen“ Kontroll- und Streifenpolizisten, die den Job des so genannten „ersten Angriffs“ erledigen und selbst schwerbewaffnete Terroristen zumindest in Schach halten müssen, um eine weitere Gefährdung der Bevölkerung zu verhindern. Terroristen, wie wir sie noch aus Paris vor Augen haben, lassen sich in der Regel mit den „normalen Mitteln“ eines Streifenbeamten nicht in Schach halten, denn sie sind meist militärisch bewaffnet und gehen auch entsprechend geschützt vor. Und genau hier beginnt das Problem, denn für solche Extremsituationen fehlt es vielen deutschen Polizistinnen und Polizisten, je nachdem, welchen Dienstherrn sie haben, an der erforderlichen Ausstattung.
Kontroll- und Streifentätigkeit oft lebensgefährlich
Wenn die Masse unserer Polizisten heute immer noch mit Schutzwesten der Schutzklassen 1 und 2 in den Einsatz gehen müssen, in einigen Bundesländern zum besseren Schutz aber bereits Westen mit SK 3 beschafft wurden, wenn manche Polizeien hochmoderne erstklassig gepanzerte Fahrzeuge kaufen, andere aber mit Modellen in den Einsatz fahren, die schon ein H-Kennzeichen tragen dürften, dann zeigt das auf, wie unterschiedlich mit dem Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen in Deutschland umgegangen wird. Und während in einigen Bundesländern die Streifenwagenbesatzungen für besondere Gefahrensituationen bereits den direkten Zugriff auf schusssichere Titanhelme und moderne Maschinenpistolen mit hoher Durchschlagskraft haben, stehen Polizistinnen und Polizisten anderer Dienstherren immer noch mit Schirmmütze und veralteter Bewaffnung an Kontrollstellen, um nach bis an die Zähne bewaffneten flüchtigen Terroristen zu fahnden.
Selbstverständlich sollen unsere Streifenpolizisten nicht wie bewegungseingeschränkte „Robocops“ durch unsere Straßen, Flughäfen oder Bahnhöfe laufen, aber zumindest muss ihnen ein unmittelbarer Zugriff auf hochklassige Schutzausstattung einschließlich schusssicherer Helme und auf eine in allen Lagen wirksame Bewaffnung ermöglicht werden.
Wir brauchen aktuelle, einheitliche und verbindliche Standards
Ohne die Zuständigkeiten für Polizeiarbeit in unserem föderalistischen System auch nur ansatzweise in Frage stellen zu wollen, muss aber sehr wohl die Frage erlaubt sein, warum sich die unterschiedlichen Dienstherren in Deutschland, wenn schon nicht auf eine einheitliche Ausstattung, dann aber doch zumindest auf einheitliche Schutzklassen und Standards bei der polizeilichen Schutzausstattung und Bewaffnung verständigen können.

Wenn der größte Teil der Technischen Richtlinien (TR), die unter Mitwirkung des Polizeitechnischen Instituts (PTI) bei der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPOL) gemeinsam erarbeitet wurden, in den letzten 3 Jahren, in denen der IS-Terror Einzug in Europa gehalten hat, offensichtlich kaum aktuelle Anpassungen erfahren hat, dann darf man sich über unterschiedliche Ausstattungslevel aber nicht wundern. Zudem sind diese Richtlinien nur unverbindliche Empfehlungen und letztlich entscheidet jeder Geldgeber selbst, welches Schutz- oder Bewaffnungslevel er denn für ausreichend oder angemessen hält.

Die Innenministerkonferenz (IMK) muss deshalb alsbald für verbindliche Standards bei der polizeilichen Ausstattung sorgen, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Expertisen, Erprobungen und Erfahrungen zu erarbeiten sind. Nur so erfahren alle im Streifendienst eingesetzten Polizeikräfte bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen den gleichen Schutz. Wirtschaftliche Erwägungen haben dabei hinten an zu stehen, denn ein Polizistenleben ist überall gleich viel wert, egal welches Wappen auf der Uniform getragen wird.

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